«Asoziale» und «Berufsverbrecher» – bislang ignorierte KZ-Opfer und der Kampf um ihre Anerkennung.


Datum: 29.04.2020
Beginn: 20:00 Uhr
Ort: Gemeindehaus Lamm, Saal im 1. OG

«Asoziale» und «Berufsverbrecher» – bislang ignorierte KZ-Opfer und der Kampf um ihre Anerkennung. Veranstaltung zum 75. Jahrestag der Befreiung
Vortrag/Lesung – Diskussion mit Prof. Dr. Frank Nonnenmacher, Frankfurt a. M; Moderation: Anika Taschke (Referentin für Zeitgeschichte und historisch-biographisches Lernen, Rosa-Luxemburg-Stiftung)

Ernst und Gustav Nonnenmacher sind zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Stuttgart geboren und dort als Söhne verschiedener Väter einer ledigen Mutter in extremer Armut aufgewachsen. Den jüngeren, Gustav, nahm die Fürsorge der Mutter weg und brachte ihn im Königlichen Waisenhaus am Charlottenplatz unter. Er wurde später Soldat, flog in Hitlers Luftwaffe und wurde nach dem Krieg freischaffender Bildhauer.
Ernst musste schon früh durch kleine Diebstähle zum Lebensunterhalt beitragen, schwänzte die Schule, kam nach Schönbühl in die Fürsorge, wurde später Wanderarbeiter, Hausierer und mehrfach wegen kleinerer Delikte vorbestraft. Nach seiner letzten Vorstrafe kam er aus der Polizeihaft direkt ins KZ Flossenbürg und später ins KZ Sachsenhausen. Von der SS wurde er erst mit dem schwarzen Stoffwinkel der «Asozialen», dann dem  grünen Winkel der «Berufsverbrecher» markiert. Die so Bezeichneten galten als «Ballastexistenzen», die «durch Arbeit vernichtet» werden sollten. Bis heute wird ihnen die Anerkennung als Opfer des Faschismus verweigert.

Frank Nonnenmacher ist der Sohn von Gustav und der Neffe von Ernst. Er hat zum Schicksal der beiden Brüder eine Doppelbiografie geschrieben («DU hattest es besser als ICH»). Er wird einige Szenen daraus lesen. 2018 hat Frank Nonnenmacher eine Initiative zur Anerkennung der bislang ignorierten Opfer gegründet. Er war zu mehreren Sitzungen des kulturpolitischen Ausschusses als Experte eingeladen. Das Ergebnis dieser Diskussionen im Bundestag waren vier Anträge, deren Ziel die Anerkennung als Opfergruppen und die Finanzierung begleitender Maßnahmen waren. Am 13. Februar stimmte der Bundestag mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD, FDP, LINKEN und GRÜNEN dem Antrag der Regierungskoalition «Anerkennung der von den Nationalsozialisten als ‹Asoziale› und ‹Berufsverbrecher› Verfolgten» zu. Über diese «Wende in der Erinnerungskultur» (Nonnenmacher), was aus ihr folgt und was noch zu tun ist, darüber wird berichtet.

Frank Nonnenmacher ist emeritierter Professor für Sozialwissenschaften und Politische Bildung an der Goethe-Universität Frankfurt am Main.
Eine Veranstaltung der Rosa-Luxemburg-Stiftung Baden-Württemberg in Kooperation mit dem Verein Lern- und Dokumentationszentrum zum Nationalsozialismus e.V. (LDNS) und der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten VVN-BdA Tübingen-Mössingen


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Tübingen